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- AgrarKulturerbe-Preis

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Weidegenossenschaft Neuenkleusheim Engelsberg

Beschreibung
Im südlichen Kreis Olpe und Altkreis Siegen ist das Hauptverbreitungsgebiet der Gemeinschaftswaldungen (Jahnschaften). Die Familien in den Dörfern besaßen unterschiedlich große Anteile an den Gemeinschaftswaldungen und haben diese auch gemeinsam bewirtschaftet. Ein großer Anteil des Waldbesitzes war Niederwald, besser bekannt unter dem Namen Hauberg.
Diese historische Waldnutzungsform, die den Bedürfnissen der damals wirtschaftenden Landbevölkerung entsprach, versorgte die Bevölkerung mit Brennholz, war Lieferant für Eichenlohe (ein begehrter Rohstoff für die Lederherstellung), Standort für Roggenanbau und eben auch Viehweide (Waldhude).
Innerhalb der kleinbäuerliche Struktur im südlichen Sauerland konnten sich die Landwirte keine eigene Weidewirtschaft im eigenen Betrieb aufbauen, weil die Kleinstparzellen für Heuwerbung und Ackerbau dringend gebraucht wurden. Damals wurde in jedem Haus Vieh gehalten. Wer einen Haushalt unterhielt und Besitz hatte, hatte auch in den Gemeinschaftswaldungen ein Huderecht.
Die Nutzungen der Gemeinschaftswaldungen zur Viehhude war im Olper Forstgesetz von 1897 erstmals gesetzlich geregelt.
Die gesetzliche Regelung im Olper Forstgesetz lässt vermuten, dass die Nutzungsvielfalt in den Haubergen nicht nur positive Auswirkungen hatte. Mit der beginnenden Umstellung zum Hochwald und Zunahme der Fichtenanpflanzungen nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Waldhude abgelöst durch die Anlage von Weidekämpen.
Die neu angelegten Gemeinschaftsweiden, waren auch für die Versorgung des Viehs und die Arbeit des Hirten ein riesiger Fortschritt. Mit einer gleichmäßigen Futter- und Wasserversorgung wird auch die Leistungsfähigkeit des Rindviehs erheblich gestiegen sein. Dieser um 1932 durch Rodung geschaffene Weidekamp wird auch heute noch als Gemeinschaftsweide genutzt.
Der Besitz von ca. 30 ha lässt erahnen, welchen Umfang die Rindviehviehhaltung in Neuenkleusheim hatte. Da in diesen Zeiten nur das Milchvieh dort gehütet wurde, reichte diese Fläche aus, um 50-60 Milchkühe im Sommer zu ernähren.
Dieser Weidekamp war wie die meisten Weidekämpe im Besitz der Jahnschaftsmitglieder. Analog zu der Zahl der Anteile im Gemeinschaftswald waren auch die Anteile im Weidekamp festgelegt. Der Weidekamp wurde nach den Vorschriften des Gesetzes über Wasser und Bodenverbände als Selbsthilfeorganisation verwaltet. Die Überschüsse wurden den Rücklagen zugeführt und dienten der Finanzierung von neuen Zäunen und Tränken.
Dank des ehrenamtlichen Engagements der Ortsbewohner wurde diese Einrichtung auch in den Zeiten des raschen Strukturwandels in der Landwirtschaft weiter gepflegt und entwickelt. Johann Kleine aus Neuenkleusheim hat durch sein Engagement mit dafür gesorgt, dass z. B. das Huderecht, das sich auf die Solstätten begründete, auf die neuen Häuser mit übertragen wurde, wenn ein älteres Haus verkauft wurde, mit dem ein Huderecht verbunden war. Durch die konsequente Führung der Mitgliederliste auch in den Zeiten, in denen aus Neuenkleusheim kaum noch Vieh aufgetrieben wurde, war man in der Lage, nach neuen Organisationsformen zu suchen und diese auch einzuführen.
Im Jahre 1980 hat der Landwirtschaftsminister des Landes NRW, Bäumer, unseren
Antrag auf Liquidation des Bodenverbandes Viehweide Neuenkleusheim genehmigt. Der damalige Vorstand mit Albert Middel, Josef Kleine und Josef Bender war zu der Überzeugung gelangt, dass eine neue Rechtsform für den Besitz des Neuenkleusheimer Weidekampes notwendig sei. Der Viehauftrieb aus dem Dorf war unbedeutend geworden, und man war auf auswärtiges Pensionsvieh angewiesen.
Mit der Auflösung des Bodenverbandes konnten die Rücklagen teilweise ausgezahlt und die Neugründung einer eingetragenen Genossenschaft finanziert werden.
Ein wichtiger Bestandteil der Neuorganisation war die Eintragung der Mitgliederanteile in ein Anteilsgrundbuch und damit die Loslösung von der Solstätte, die mit den bestehenden Häusern verbunden war. Die festgelegten Miteigentumsanteile konnten damit separat vererbt oder veräußert werden. Der Besitz teilte sich auf zunächst 53 Miteigentümer mit 923 Anteilen auf. Zur Zeit hat der Weidekamp 48 Miteigentümer mit 881 Anteilen mit einer Gesamtgröße von 29,70 ha. Davon sind ca. 23 ha Grünland und 6,5 ha Wald/Holzung. Die neu entstandene Bodengenossenschaft Neuenkleusheim Engelsberg e. G. erhielt ein Nießbrauchsrecht zur Weidenutzung an dem Gemeinschaftsbesitz. Die Genossenschaft sorgte fortan dafür, dass der Weidekamp auch finanziell erfolgreich geführt wurde.
Im Zeitraum von der Neugründung bis zum heutigen Tage hat sich wieder einiges gewandelt: Bis 1991 wurde der Weidekamp intensiv bewirtschaftet ,soweit dies möglich war. Es wurden ca. 80 Rinder aufgetrieben. Die Rinder kamen von ca.7-1O Landwirten aus der Region die auf diese Weise ihre knappe Futterfläche überbrücken konnten. Waren es anfangs Rinder aus milchviehhaltenden Betrieben, so werden heute weit überwiegend Rinder aus der Fleischrinderhaltung aufgetrieben, die später den Mutterkuhbestand des Besitzers ergänzen sollen.
1991 wurde die Wirtschaftsweise auf extensive Weidewirtschaft umgestellt. Durch den Verzicht auf Stickstoffdüngung und andere Einschränkungen wurde der Viehauftrieb auf ca. 60 Tiere reduziert.
1997 ging man aufgrund der positiven Erfahrungen zur ökologischen Wirtschaftsweise über und wurde Mitglied in dem Öko Anbauverband Naturland. Seit dem 1. Januar 1999 sind wir Mitglied im Anbauverband Biokreis.
Der Vorstand und der Aufsichtsrat unserer Genossenschaft haben natürlich auch die
Änderungen in der Agrarwirtschaft verfolgt und Überlegungen zu den Auswirkungen auf den Bestand
unseres Weidekampes angestellt. Der Weidekamp wurde auch deshalb in der ursprünglichen Form weitergeführt, weil Überschüsse erwirtschaftet wurden, die an die Mitglieder ausgezahlt wurden.
Als das Baurecht für die Errichtung von Windkraftanlagen 1996 novelliert wurde, hat man das Thema Windkraftnutzung auf dem Engelsberg aufgegriffen. Da der Geschäftsführer unserer Genossenschaft dem Thema regenerative Energieerzeugung positiv verbunden war, hat man die Möglichkeiten näher untersucht und kam durch ein Windgutachten zu der Überzeugung, dass ein Betrieb von Windkraftanlagen wirtschaftlich interessant ist.
Ein Antrag bei der Stadt Olpe zur Ausweisung einer Windkonzentrationszone war erfolgreich, weil nach der neuen Rechtslage jede Kommune bis 1998 derartige Vorrangzonen ausweisen sollte. Im Stadtgebiet Olpe konnten der Weidekamp Rehringhausen im Besitz der Waldgenossenschaft Rehringhausen und der Weidekamp Neuenkleusheim als Vorrangzone für Windkraftnutzung ausgewiesen werden. Nach umfangreichen Untersuchungen wurde festgestellt, dass nachteilige Wirkungen durch Lärm und Schattenwurf nicht zu befürchten sind . Der bestehende Winderlass der Landesregierung, der die Grundsätze für die Ausweisung von Konzentrationszonen festlegte, enthielt u.a. die Anweisung, in Waldgebieten keine Konzentrationen auszuweisen.
Es zeigte sich an diesem Beispiel, dass ein Festhalten an einer historischen Wirtschaftsweise wie einer Pensionsweide auch positive Auswirkungen haben kann. Wäre der Weidekamp in den 1970er Jahren aufgeforstet bzw. verpachtet worden, wäre natürlich auch kein Gremium mehr vorhanden gewesen, sich um die weitere Nutzung dieses Besitzes zu kümmern und nach neuen Nutzungsformen wie der Windkraft Ausschau zu halten.
Von der Ausweisung dieser Fläche als Windvorrangfläche im Jahr 1998 bis zur Verwirklichung ging
einige Zeit ins Land. Die Mitgliederversammlung unserer Genossenschaft wurde umfassend informiert, und man hatte die Verpachtung dieser Flächen an Betreiberfirmen ins Auge gefasst. Bei der Vorbereitung dieser Verpachtung wurde deutlich, dass die Weidegenossenschaft als
Nießbrauchsberechtigte an dem Grundbesitz nicht das Recht besaß, Verträge zur
Windkraftnutzung abzuschließen, weil bei der Eintragung des Nießbrauches zur
Weidenutzung im Jahr 1980 Windkraftnutzung noch kein Thema war. In einer langwierigen Prozedur haben dann im Januar 2001 alle Miteigentümer einer weiteren Grunddienstbarkeit zugestimmt.
Im Rahmen der Pachtverhandlungen mit Betreiberfirmen wurde auch immer offenkundiger, dass der Bau eines Windparkes mit 3 Anlagen eigentlich keine Hexerei ist. Wenn bei einem guten Projekt mit hoher Leistung die Rendite stimmt und das Risiko der Investition überschaubar ist, so gibt es keinen Grund, diese Chance nicht selbst zu ergreifen. Mit der Verwirklichung des Bürgerwindparkes, also einer breit gestreuten Beteiligung in der Bevölkerung, erreichen wir ein gesteigertes Interesse an dem Thema natürliche Energien und nachhaltiges Wirtschaften. Uns war von Anfang an wichtig, dass wir die Bürger des Ortes Neuenkleusheim einbeziehen.
Text: Rudolf Kreiser