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Landkreis Passau (Landratsamt)

Rottaler Bauernhaus, Geburtshaus des hl. Bruder Konrad (1818) in Parzham, Gemeinde Bad Griesbach
Beschreibung
Der Landkreis Passau liegt am östlichen Saum Bayerns und hat seine längste Grenze mit Österreich, dessen anschließendes Innviertel noch bis 1779 zu Bayern gehörte Der Kreis besteht aus zwei geographischen Teilen: nördlich der Donau erstreckt sich der "Südliche Bayerische Wald", dessen wichtigster Donauzufluss, die Ilz, in Passau in die Donau mündet - ihres dunklen Wassers und der darin lebenden Perlmuscheln wegen auch die "Schwarze Perle des Bayerwaldes" genannt. Die Waldberge erheben sich bis knapp 1000 m. Südlich der Donau breitet sich tertiäres Hügelland (300-500 m) zwischen Donau, Inn, Rott und Vils aus. Donau und Inn vereinen sich in Passau, die Rott fließt auf der Höhe des österreichischen Schärding in den lnn, und die Vils mündet flussaufwärts von Passau in Vilshofen in die Donau. Diese beiden unterschiedlichen Naturräume haben auch eine sehr unterschiedliche Siedlungsgeschichte. Während im Donautal und dem südlichen Hügelland schon vor mehr als vier Jahrtausenden menschliche Siedlungen nachgewiesen sind (frühgeschichtliche Funde in Saxing/Untergriesbach, Hofkirchen und Erlau), Kelten und Römer dort viele Jahrhunderte lang das Land kultivierten und die Bajuwaren um die Zeit des Bonifatius (um 750) auch noch die kleineren Täler schon alle erschlossen hatten, begann die stufenweise Besiedlung des Bayerischen Waldes erst im 8. Jahrhundert, systematisch gefördert von den jetzt im Nachbarlandkreis Deggendorf liegenden Klöstern Niederaltaich (gegründet 741) und Metten (entstanden 770) sowie im Unteren Bayerischen Wald auch vom Kloster Passau-Niedernburg (gegründet Mitte 8. Jahrhundert). Unterbrochen durch die verheerenden Ungarneinfälle im zehnten Jahrhundert wurde der bis dahin menschenleere Wald im Wesentlichen bis 1200 mit Neusiedlern besetzt. Die letzte planmäßige Rodung erfolgte 1764 durch die Fürstbischöfe von Passau mit den Grenzdörfern gegen Böhmen, Vorder-, Mitter- und Hinterfirmiansreut (Fürstbischof Leopold von Firmian 1763-1783). Wo die Rodung in zu unwirtliche Gebiete vorgetragen worden war, wurden Siedlungen in der Folgezeit auch wieder aufgegeben, ein Vorgang, der bis nach dem Zweiten Weltkrieg von Heimatliebhabern mit Missbilligung gestraft wurde.
Heute ist Passau der Fläche nach der drittgrößte Landkreis Bayerns, er liegt mit rund 190.000 Einwohnern an fünfter Stelle in Bayern, nur vier Kreise um die Großstädte München und Augsburg herum beherbergen mehr Menschen.
Im ursprünglich agrarisch dominierten Landkreis wird Landwirtschaft nur noch auf rund 4000 Höfen betrieben, drei Viertel davon mit weniger als 30 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche, also vornehmlich im Nebenerwerb geführt.
Der Landkreis liegt an einem Kreuzungspunkt von wichtigen Handelsstraßen des mittelalterlichen Europa. Zeugen dieser Zeit sind viele Burgen und Schlösser, so die Neuburg am Inn und Schloss Ortenburg. Viel stärker aber wird die "niederbayerische Sakrallandschaft" von Kirchen und Klöstern geprägt, weil beide von Anfang an durch die Gunst des Adels und der Herzöge auf eine sichere wirtschaftliche, in diesem Gebiet natürlicherweise zumeist eine land- und forstwirtschaftliche, Grundlage gestellt worden waren (Fritz Markmiller). Hunderte von Dorfkirchen, Kapellen, Bildstöcken, Wegkreuzen gehören zu den besonderen Kunstschätzen des Landkreises. Den deutlichsten Bezug zum Agrarkulturerbe haben Kirchen mit einem Leonhardspatrozinium, denn der Hl. Leonhard galt den Bauern bekanntlich als der Viehpatron. Im Bistum Passau gibt es 19 derartige Stätten Herausragend sind die spätgotischen Leonhards-Kirchen in Grongörgen im Rottal und in Aigen am Inn, der frühesten und besuchtesten Stätte der Leonhardsverehrung. An beiden Orten finden alljährlich Umritte mit Festwägen und mehr als hundert Reitern statt. Eine weitere bemerkenswerte spätgotische Dorfkirche (1445/60) steht in Kellberg am Rande des Bayerischen Waldes. Bauformen und Stilelemente verschiedener Epochen gingen in den folgenden Jahrhunderten mit dieser spätgotischen Überlieferung eine einzigartige Verbindung ein, die gerade für Niederbayern und somit den Landkreis Passau so typisch ist. Zu nennen ist hier die Klosterkirche St. Salvator bei Griesbach im Rottal (1633/44) oder die originellen Dreikonchenanlagen (drei halbrunde Apsiden) beispielhaft verkörpert in den Pfarrkirchen Hutthurm, Obernzell und Dommelstadl bei Neuburg am Inn (alle um 1750) sowie in kleineren Bauten wie der Marienkapelle Kaltenbrunn (bei Rathmannsdorf), erbaut um 1750 als Brunnenheiligtum oder der St. Koloman Kapelle bei Mittich im Rottal. Diese Kapelle ist eine der ungezählten über das Land verstreuten kleinen und größeren Wallfahrtsbauten zu Ehren populärer Heiliger. Insgesamt überwiegen im Landkreis Passau die Marienwallfahrten, Eine der originellsten Wallfahrtsstätten dieser Art ist Sammarei, wo als Gnadenbild eine Kopie des Marienbildes von Hans Holbein d. A. in der St. Jakobskirche in Straubing verehrt wird. Weit über tausend Votivtafeln bezeugen die Hilfe der Gottesmutter. Ein anderes weitum berühmtes Gnadenbild vom Stil "Maria Loreto" steht in Thyrnau im "Heiligen Haus", einer Versinnbildlichung von Jesu Elternhaus in Nazareth.
Im waldlerischen Teil des Landkreises trifft man, auch angeregt durch den regen Tourismus in dieser Gegend, wieder renovierte und immer mehr aktuelle Totenbretter. Ursprünglich waren das die Bretter, auf denen die Toten zwischen Tod und Begräbnis ruhten. Zu ihrem Gedächtnis wurde das Brett aufgestellt an einem Weg, einer Kreuzung, bei einem Bach oder Wiesenrain, zwischen zwei Bäumen, bei einer Kapelle.
Historische Hausformen finden sich im Landkreis Passau in verschiedenen Hauslandschaften. Im Süden begegnet man in den Tälern der Rott und Vils dem Rottaler bzw. Vilstaler Bauernhaus, einem stattlichen zweigädigen Holzhaus mit mehreren Schroten. Im Nordteil des Landkreises, beim typischen Waldlerhaus, einem eingädigen Blockbau, sind die Wände mit roh behauenen Fichten- und Tannenstämmen aufgerichtet. Die im gesamten Kreis anzutreffenden gemauerten zweigeschossigen Bauernhäuser haben oft reiche Putzgliederung, ihre Entstehungszeit liegt überwiegend in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In Riedertsham, Gemeinde Haarbach, steht nach Meinung von Fachleuten der schönste Vierseithof Ostbayerns mit einem original erhaltenen Rottaler Bauernhaus. Solche Häuser und Höfe sowie ganze Ensembles wie z. B. die Durchfahrtsstraße des Marktes Untergriesbach stehen unter Denkmalschutz. Der Landkreis bemüht sich nach Kräften darum, diese Baudenkmäler zu erhalten.
Mit Aidenbach verfügt der Landkreis Passau über einen für die bayerische Bauernschaft besonders geschichtsträchtigen Ort, denn hier wurde am 8. Januar 1706 im Spanischen Erbfolgekrieg eine blutige Bauernschlacht geschlagen. Sie war die letzte Phase des bayerischen Bauernaufstandes gegen die damalige österreichische Besatzung. 2000 bis 3000 Mann starke Bauernhaufen wurden vom österreichischen General Kriechbaum vernichtend geschlagen und die Bauernerhebung damit endgültig zum Scheitern verurteilt.
Das größte und gleichzeitig traditionellste Fest im Landkreis ist das "Karpfhamer Fest", das Heinrich der Löwe 1162 ins Leben rief. Es war noch bis lange nach dem Zweiten Weltkrieg von der bäuerlichen Bevölkerung geprägt. Daneben gibt es viele andere lebendige Volksfeste, Brauchtumsveranstaltungen und Kirchtage.
Das "tote" Agrarkulturerbe wird im Landkreis in Museen zum Leben erweckt, die sich mit gutem Erfolg um die jeweils modernste Museumspädagogik bemühen, Da der Landkreis Passau mit jährlich weit über fünf Millionen Übernachtungen Spitzenreiter im ostbayerischen Tourismus ist (Thermenorte Bad Füssing und Bad Griesbach sowie Bayerischer Wald), fehlt es auch nicht an potentiell interessierten Besuchern. Vor allem im waldlerischen Teil des Landkreises war, wie die Museen zeigen, alleine mit Landwirtschaft noch nie ein Auskommen zu erzielen, weshalb die Bauern daneben zu weiteren Erwerbszweigen griffen. Das Bayerische Nationalmuseum unterhält dazu zwei Zweigstellen: das Keramikmuseum in Obernzell und das Museum in der ehemaligen Benediktinerabtei Asbach; die Gemeinden betreuen u.a. das Webereimuseum in Breitenberg und das Wegscheider Zollmuseum; private Museen sind u.a. das Brauereimuseum in Aldersbach, das "Museumsdorf Bayerischer Wald" in Tittling - eines der gut besuchten Bauernhofmuseen Niederbayerns - das "Bergwerksmuseum" des Graphitwerks Kropfmühl, das Haus am Strom in Jochenstein und - im April 2005 erst eröffnet - das Granitzentrum Bayerischer Wald in Hauzenberg.
Text: Professor Dr. Joachim Ziche
Literatur
-Bleibrunner, Hans:
Niederbayern. Kulturgeschichte des Bayerischen Unterlandes, Bd. 1 und 2. (Hrsg. v. Bezirkstag von Niederbayern.) Landshut 1979 und 1980
-Markmiller, Fritz/Spitta, Wilkin:
Dorfkirchen in Niederbayern. Regensburg 1996