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Biographie

Hermes, Andreas
Agrarpolitiker, Reichsminister, Präsident des Deutschen Bauernverbandes
(16. Juli 1878 - 4. Januar 1964)
Andreas Hermes studierte in Berlin, Bonn und Jena Landwirtschaft und Philosophie und war nach einer Tätigkeit bei der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft zwischen 1920 und 1960 einer der wichtigsten Agrarpolitiker. Er wurde am 30. März 1920 Minister des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, welches zuvor als Reichsernährungsamt aufgelöst und ins Reichswirtschaftsministerium eingegliedert worden war.
Hermes hatte starken Einfluss auf die Gründung der Vereinigung der christlichen Bauernvereine in Berlin genommen. Nach dem Rücktritt von Engelbert von Kerckerinck zur Borg wurde Hermes am 27. März 1928 zum neuen Präsidenten gewählt. Die Wahl fiel auf Hermes, weil er Reichsernährungsminister gewesen war, als international renommierter Landwirtschaftsfachmann galt, Mitglied des Zentrums und Abgeordneter im Preußischen Landtag (seit 1928 im Reichstag) und außerdem katholisch war. In seiner Amtszeit schaffte er die Doppelspitze (d.h. das Amt des geschäftsführenden Vorstandsmitglieds) ab. Hermes wurde am 27. März 1933 unter skandalösen Begleitumständen durch Hermann Freiherr von Lüninck ersetzt.
Unter Hermes als Ministerialdirektor im Reichswirtschaftsministerium kam es am 20. Februar 1920 zur Gründungsversammlung der "Reichsarbeitsgemeinschaft land- und forstwirtschaftlicher Arbeitgeber und Arbeitnehmer-Vereinigungen", die bis 1926 bestand. Hermes war zudem an der Vereinheitlichung des landwirtschaftlichen Genossenschaftswesens beteiligt. Mit Ludwig Hohenegg wurde er gleichberechtigter Präsident des am 13. Februar 1930 gegründeten Reichsverbandes der deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaften - Raiffeisen e.V. (kurz genossenschaftlicher Reichsverband). Diese Position sowie eine Reihe anderer politischer Vorteile benutzten die Nationalsozialisten später als Vorwand, um Hermes Vorteilsnahme und Veruntreuung vorzuwerfen.
Hermes war für die Vereinigung der christlichen Bauernvereine in der 1929 entstandenen Grünen Front vertreten, einem lockerem Bündnis der vier bedeutendsten agrarischen Verbände und Organisationen auf Reichsebene. Dieses sprach sich für staatliche Einfuhr- und Absatzregulierung sowie Preispolitik aus. Hermes habe sich der Grünen Front zwar eher unfreiwillig angeschlossen, trug allerdings die Politik mit und ließ sich sogar zu einer Art 'Präsident' küren.
Das Verhältnis zwischen Hermes und Reichskanzler Brüning war schwierig: Obwohl beide derselben Partei (Zentrum) angehörten, bestanden sowohl persönliche als auch politische Gegensätze. So war Brüning ein Gegner, Hermes ein Befürworter der Schutzzollpolitik. Brünings kritisierte die Genossenschaften und hielt Hermes zu hohe Gehälter vor. Hermes musste darüber hinaus befürchten, von seinem Gegenspieler in den Reihen der christlichen Bauernvereine, Hermann Freiherr von Lüninck, nach und nach entmachtet zu werden. Während Hermes die Eigenständigkeit der Bauernvereine erhalten wollte und sich gegen eine Doppelmitgliedschaft in verschiedenen Vereinigungen aussprach, strebte von Lüninck eine einzige bäuerliche Standesorganisation an.
Hermes legte am 18. März 1933 aus Protest gegen das NS-Regime sein Reichstagsmandat nieder. Drei Tage später - am Tag der Abstimmung über das Ermächtigungsgesetz - wurde er wegen Fluchtverdachts und Verdunkelungsgefahr verhaftet und blieb für rund fünf Monate inhaftiert. Im darauffolgenden Jahr wurde er wegen angeblicher Veruntreuung von rund 1,2 Millionen der 3,5 Millionen RM, die er bei der Vereinigung der Genossenschaften von Otto Klepper erhalten hatte, angeklagt. Wegen angeblicher Veruntreuung von 389.000 RM verurteilte man ihn zu vier Monaten Gefängnis, die durch die Untersuchungshaft als verbüßt galten. Gegen das Urteil war keine Berufung möglich, eine mögliche Revision wurde durch eine Amnestie am 7. August 1934 verhindert. Hermes versuchte sich zu rehabilitieren. Obwohl das Urteil nachträglich schwer einzuordnen ist, gilt die Verurteilung als Akt der Willkür, um einen potentiellen Gegner des NS-Regimes politisch auszuschalten.
Hermes ging 1936 mit seiner Frau ins kolumbianische Exil, kehrte 1939 zurück, um seine fünf Kinder nachzuholen, wobei die nochmalige Ausreise durch den Beginn des Zweiten Weltkrieges misslang. Er kam in Kontakt mit Widerstandskreisen, dem "Kölner Kreis" und dem "Kreisauer Kreis". Da er auf der Liste möglicher neuer Reichsminister (für Landwirtschaft) stand, die nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 publik wurde, verhaftete man ihn am 22. Juli 1944 abermals und verurteilte ihn durch Roland Freisler noch am 11. Januar 1945 zum Tod.
Nach Kriegsende trat Hermes für eine Bodenreform mit Entschädigung ein. NS-Funktionäre und Kriegsverbrecher sollten von Entschädigungszahlungen ausgenommen sein. Hermes forderte zudem, die "Siedlung" müsse "im Rahmen einer gesamtdeutschen Landesplanung" erfolgen. Er initiierte schon 1945 die Wiedergründung landwirtschaftlicher Organisationen. Nachdem die Gründung eines reichsweiten Verbandes (Einheitsorganisation) scheiterte, konnte am 29. Oktober 1946 in München die Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Bauernverbände (später Deutscher Bauernverband e.V. - Vereinigung der Deutschen Bauernverbände, DBV) für die drei Westzonen geschaffen werden, dessen 1. Vorsitzender Hermes bis 1954 war.
Hinsichtlich des CDU-Vorsitzes der britischen Besatzungszone und damit der Kanzlerschaft stand Hermes in starker Konkurrenz zu Konrad Adenauer. Obschon er rein formal in Betracht kam, wurde Hermes nicht das Amt des Bundesministers für Ernährung und Landwirtschaft angetragen. Gemeinsam mit Rudolf Nadolny gründete er 1950 in Homburg die Gesellschaft für die Wiedervereinigung Deutschlands.
Andreas Hermes propagierte auf dem Bauerntag in Rendsburg 1951 die Gründung eines Mittelstandsblocks, dem sich der Deutsche Beamtenbund und der Deutsche Einzelhandel anschlossen. Dieser Mittelstandsblock war vor allem als Drohgebärde zu verstehen; zu einer Parteigründung kam es nicht. In der europäischen Agrarkonferenz in Paris am 25. März 1952 wurde er von der Bundesregierung zum Delegationsleiter bestimmt.
Nach der Bundestagswahl vom 6. September 1953 bot Konrad Adenauer Hermes das Amt des Bundeslandwirtschaftsministers an, der jedoch ablehnte und "dringend" Heinrich Lübke empfahl. Elf Monate nach der Ernennung Lübkes trat Andreas Hermes auf dem Bauerntag in Stuttgart (27.-30. September 1954) als Präsident des DBV, aus Altersgründen, wie es in der Presse hieß, zurück.
Andreas Hermes hatte sowohl in der International Federation of Agricultural Producers
(IFAP) als auch im Verbandes der Europäischen Landwirtschaft (Confédération Européen de l'Agriculture = CEA) die Funktion des Vizepräsidenten inne (in der IFAP erst ab 1953).