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Landkreis (Landratsamt) Unterallgäu

Beschreibung
"Kneippland Unterallgäu", unter diese Marke stellt der Landkreis seine Öffentlichkeitsarbeit. Kneippland ist keine Anmaßung, denn in Stephansried bei Ottobeuren erblickte 1821 Sebastian Kneipp das Licht der Welt und die beiden Kneipp-Heilbäder Wörishofen und Grönenbach sowie der Kneippkurort Ottobeuren haben weltweit einen hervorragenden Ruf. Über eine Million Übernachtungen im Jahr zählt die Tourismusstatistik, 10 % des Bruttosozialprodukts erbringt der Tourismus.
Es ist weniger die Landschaft, von der sich die Touristen angezogen fühlen, sondern ihre Sorge um die Gesundheit, die sie mit Kneipps Hilfe zu festigen suchen. Denn im Unterallgäu locken, wie schon die Vorsilbe "Unter" angibt, keine himmelstürmenden Felsgipfel, sondern eine sanfte Hügellandschaft. Es waren die Eiszeiten mit ihren Eis- und Schmelzwasserströmen, von denen sie geformt wurde. Durchschnitten wird die Landschaft von den strikt Süd-Nord gerichteten Längstälern der größeren Flüsse Iller, Günz, Mindel und Wertach. Die Iller ist gleichzeitig die an Baden-Württemberg grenzende natürliche West-, die Wertach Ostgrenze des Landkreises. Natürliche Seen gibt es nicht, wohl aber viele Stauseen.
Von der ausgedehnten Iller-Lech-Platte gehört ein unregelmäßiges Viereck, das 54 km in Nord-Süd- und 44 km in Ost-West-Richtung misst, zum Unterallgäu. Bis zur Donau sind es ebenso 45 km Luftlinie wie zu den Alpen. Das nördliche Unterallgäu liegt 520 m über dem Meeresspiegel, das südliche reicht bis 845 m hinauf, also 300 m Höhenunterschied. Das erscheint nicht viel, wirkt sich aber doch deutlich auf das kühl-feuchte voralpine Klima des Landkreises aus. Im südlichen Landkreis sorgen Föhn- und Stauwetterlagen für Unterschiede, auch steigen die Niederschläge von 900 mm im Norden auf 1200 mm im Süden, weshalb der Landstrich zu den regenreichsten Gegenden Deutschlands gehört: Die Jahresdurchschnittstemperatur fällt von Norden nach Süden von 7,5 auf 6 Grad C.
Dieses Klima verweist die Landwirtschaft auf Grünlandnutzung und Anbau von Ackerfutter, Silomais und Getreide. Terrassenböden sind die wichtigsten Acker- und Grünlandstandorte, sie sind von hoher Qualität (z. T. Lößauflagen). In sechs großen Bändern, manchmal bis zu vier Kilometer breit, verlaufen sie von Süd nach Nord. Dazwischen erheben sich Riedelhöhen, die Molasse- und Deckenschotterböden von weniger guter Qualität tragen und deshalb vielfach mit Wald (75 % Nadelholz, meist Fichte) bestanden sind. Insgesamt sind 25 % der Landkreisfläche Wald, was unter dem bayerischen Durchschnitt von 35 % liegt. Ungefähr zur Hälfte ist der Wald in Privateigentum, die andere Hälfte ist Staats- und Körperschaftseigentum. Die Waldfläche nimmt in dieser waldarmen Landschaft langsam zu. An der südlichen Kreisgrenze ragen Moränen der Riß- und Mindeleiszeit herein. Auf deren Höhen zählt die Agrarstatistik sogar Höfe zu den Bergbauernbetrieben. Über 70 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche sind Grünland. Knapp 3.000 Höfe werden noch bewirtschaftet, davon fast ein Drittel im Nebenerwerb, denn beinahe die Hälfte der Betriebe ist unter 20 ha groß und damit für einen Haupterwerb zu klein. "Urlaub auf dem Bauernhof" ist als Zuerwerb verbreitet und nimmt noch zu. Als gut strukturiert gelten die Milchviehbetriebe, auf denen 160.000 Rinder leben, darunter 75.000 Milchkühe, überwiegend Braunvieh, was das Unterallgäu zum Landkreis mit den meisten Milchkühen in ganz Deutschland macht. Wie Teile der Marschgegenden Norddeutschlands gehört das Unterallgäu zu den intensivsten Milcherzeugern Deutschlands.
In den Landkreis herein ragt der Naturpark "Augsburg Westliche Wälder". Die vier Naturschutzgebiete des Landkreises sind alle Moore: das Kalkquellmoor Benninger Ried, die Niedermoore Pfaffenhauser Moos und Kettershauser Ried sowie das Hundsmoor, eine Ansammlung von Feuchtbiotopen. Der Landkreis betreibt außerdem das Pilotptojekt "Biotopverbund Westliche Günz" und das Landkreisbiotop Goßmannshofen. Landschaftsschutzgebiete sind ebenfalls ausgewiesen, darunter der romantische Illerdurchbruch zwischen Grönenbach und Buxheim. Auf der Liste der Naturdenkmäler stehen über hundert Objekte, die bedeutendsten sind die Weihbrunner Quellen, die Quelltöpfe bei Katzbrui, die Aurikelschlucht "D' Schland", die geologischen Orgeln von Bossarts, die Blumenwiese Goßmannshofen, der Leinhang Heimertingen, eines der drei letzten Vorkommen des Gelben Lein (Linum flavum) in Bayern.
Zahlreiche Einzelfunde belegen, dass schon in der Steinzeit im Unterallgäu Menschen gewohnt haben, aber regelrechte Siedlungen sind nicht nachzuweisen. Spärlich sind bisher Siedlungsfunde aus der Bronze-, Hallstatt- und Latènezeit, nur Hügelgräber und Viereckschanzen zeugen von den früheren Menschen. Das Unterallgäu erweist sich im Gegensatz zu anderen schwäbischen Gebieten als ausgesprochen "römerarm". Dennoch sind römische Gutshöfe und Villen, so in Amendingen und Obermucken, Scherben- und Münzenfunde ausgegraben worden, Römerstraßen führten durch den Landkreis, an denen Wachtürme (burgi) standen. Eine bedeutende spätrömische Befestigung wurde auf dem Goldberg bei Türkheim ergraben. Gegen 400 n.Chr. gaben die Römer ihr Land auf, erste alemannische Besitznahmen erfolgten von 300 bis 550 n.Chr. in den heutigen -ingen-Orte. Auf die Zeit zwischen 500 und 800 n.Chr. werden die -hofen-Orte datiert, zwischen 800 und 1200 n.Chr. folgen die -au, -bach, -berg-, -hausen und -wang-Orte. Alemannische Reihengräberfunde liegen von 500 bis 700 n.Chr. vor.
Die weitere Herrschaftsgeschichte zeigt hier zuerst die Herzogsdynastien der Staufer und Welfen sowie die Klöster Kempten und Ottobeuren reich begütert. Mit dem Untergang der Staufer 1268 geht das Herzogtum Schwaben im Reich auf. Jetzt fehlt "eine zentrale gestaltende politische Gewalt, die den Territorialisierungsprozess in einen größeren politischen Verbund hätte einbinden können" (Peter Fassl). Es beginnt die für Schwaben typische Zersplitterung der Herrschaftsgebiete, die schließlich zu einem "Fleckerlesteppich" führt. Im heutigen Wappen des Landkreises sind die drei bis 1800 wichtigsten Herrschaftsträger vereint: weiß-blaue Rauten für das Kurfürstentum Bayern, goldene Rosette für die Reichsabtei Ottobeuren, blaue Lilie für das Haus Fugger. Diesen drei Herrschaften gelang es, sich territorial und rechtlich einigermaßen geschlossene Ländereien zu sichern. Außerdem waren am Ende des Alten Reiches mit Streubesitz begütert: 14 weitere geistliche Herrschaften, darunter das Hochstift Augsburg, das Fürststift Kempten, das Augsburger Domkapitel, die Reichsstifte Irsee, Rot, Roggenburg, Ursberg. Die Reichsstädte Memmingen und Augsburg und ihre Stiftungen, Pfründe und Hospitäler besaßen beachtliche Gebietsstreifen. In den Städten ansässige Patrizier waren ebenso Grundherren. Der große Verlierer in der herrschaftsgeschichtlichen Entwicklung war der ritterschaftliche und gräfliche Adel. Außer den schon erwähnten Fuggern gab es zum Ende des Alten Reiches nur noch acht Adelsgeschlechter mit Besitz im Unterallgäu. Mit der Säkularisierung der geistlichen Herrschaften 1803 und der Mediatisierung der weltlichen Herrschaften 1805/06 gingen alle Hoheitsbefugnisse auf das Königreich Bayern über.
Die vielen kleinteiligen Herrschaften waren einer der Gründe, warum gerade in Schwaben der deutsche Bauernkrieg von 1524/25 am heftigsten tobte. Jede Gemeinde des heutigen Unterallgäu widmet in ihrer Geschichtsschreibung diesem Krieg ein trauriges Kapitel von Mord und Totschlag, Plünderungen, Brandschatzungen, Folter, Hinrichtungen. Die Reichsstadt Memmingen spielt eine herausragende historische Rolle, denn in ihrem Kramerzunfthaus ist am 14./15. März 1525 eine für die Memminger Bauern bestimmte Fassung der "Zwölf Rappertsweiler Artikel" aufgeschrieben und dann unter dem Namen "Memminger Artikel" als offizielles Manifest des Bauernkrieges weiter verbreitet worden.
Böse Zeiten erlebten die Menschen auch im Dreißigjährigen Krieg zwischen 1632/36 und 1642/48. Zuerst eine Hungersnot, dann eine Pestwelle, dazu die Untaten der Soldateska. Pestfriedhöfe, z. B. in Lehenbühl, zeugen davon, dass mindestens ein Drittel der Bevölkerung zugrunde ging. Nach dem Krieg wanderten Menschen aus Tirol in das halbleere Land ein.
Der Landkreis Unterallgäu ist heute in 52 Gemeinden gegliedert, Kreisstadt ist Mindelheim, die Stadt Memmingen ist kreisfrei. Der Landkreis zählte 2004 135.858 Einwohner, die Einwohnerdichte liegt mit 110 Einwohnern je qkm deutlich unter dem bayerischen Durchschnitt (176 Ew. je qkm). Vom unregelmäßig gewachsenen Haufendorf bis zum planmäßig angelegten Rodungsort sind alle wesentlichen Dorfbilder im Landkreis vertreten. Weithin prägen Weiler und Einödhöfe die Landschaft. Sie gehen vielfach auf die berühmte Vereinödung des Allgäu zurück, die hier ab 1550 dreihundert Jahre lang zum Wohle der Bauern betrieben wurde. Wie schon aus dem hohen Anteil geistlicher Herren an der Herrschaftsgeschichte ersichtlich wird, herrscht die katholische Konfession vor (über 80 %), evangelisch sind inzwischen 13 % der Einwohner. Die ehemalige Freie Reichsstadt Memmingen und einige angrenzende Gemeinden haben eine überwiegend evangelische oder evangelisch-reformierte Bevölkerung.
Die Kunstlandschaft Unterallgäu beherbergt Werke europäischen Ranges und viele Kleinodien sakraler Kunst in kleinen Dorfkirchen. Als Auftraggeber dominieren die großen Klöster und wenige bedeutende Geschlechter wie die Vöhlin, Fugger, Welser. An der Spitze steht die Benediktinerabtei Ottobeuren mit ihrer barocken Basilika (1766 geweiht), dem Kaisersaal, der Bibliothek und den ehemaligen Abtgemächern. Gleichrangig ist auf der weltlichen Seite Schloss Kirchheim mit seinem Zedernsaal zu nennen. Unter den Dorfkirchen hebt sich die "Kleine Wies" heraus, das ist die St. Magnus-Kirche in Unterrammingen. "Kleines Wunder" wird die in feinstem Rokoko (1738-40) ausgeführte St. Anna Kapelle im Kreuzgang der einstigen Reichskartause (Kloster des Kartäuserordens) Buxheim genannt. Buxheim ist die einzige in ihrer Baugrundform erhaltene Kartause in ganz Mitteleuropa. An der dortigen Klosterkirche arbeiteten die berühmten Wessobrunner Gebrüder Zimmermann. Zu den größten Meisterwerken abendländischer Kunst gehört ihr Chorgestühl, geschaffen vom Tiroler Ignaz Waibel, das 1980 nach über hundertjähriger Irrfahrt durch Europa jetzt auf seinen angestammten Platz zurückgekehrt ist. Bedeutende Werke der Grabmalkunst gibt es mehrere, so aus der gotischen Zeit das Sandsteinepitaph für Anna von Polen (gest.1425) in St. Stephan in Mindelheim und aus der Renaissance das Hochgrab von Hans Fugger (1586), das als eine der schönsten Plastiken dieser Zeit in Süddeutschland gilt. Von den Wallfahrtsstätten sind mindestens vier zu nennen: Maria Steinbach, hier arbeiteten an Bau und Innenausstattung die herausragendsten Künstler der Zeit mit (1746-1753); Mussenhausen; Maria Baumgärtle und "Maria Schnee" in Lehenbühl, an der der Übergang vom Spätbarock zum frühen Rokoko zu studieren ist, im Inneren ist diese Kirche in Gold, Weiß und Rosa gehalten, wertvolle Altäre und schöne Stuckarbeiten erfreuen den Besucher.
Bei den Burgen und Schlössern im Landkreis stehen die Fuggerschlösser Kirchheim und Babenhausen voran, dann die im Kern romanische Mindelburg, das stattliche Hohe Schloss in Grönenbach und in Lautrach das Schloss von 1784, einst Sommerresidenz der Fürstäbte von Kempten. Die Kronburg ist ein weithin sichtbares Wahrzeichen der ganzen Gegend und seit 1619 im Besitz des Geschlechtes Westernach, seit 1852 Vequel-Westernach. Errichtet als Renaissance-Schloss zwischen 1470 und 1536 unterstand die Burg bis 1805 direkt dem Kaiser. Zu den reizvollen Landsitzen gehört der in Markt Wald und das Schloss Illerfeld.
Erstaunlich reich ist das Unterallgäu an Museen und Sammlungen. Für das Agrarkulturerbe am bedeutendsten ist das Schwäbische Bauernhofmuseum Illerbeuren, das als ältestes und größtes Freilichtmuseum Bayerns gilt. Hier ist auch das im Alpenvorland verbreitete Mittertennhaus zu sehen, dessen Wohnteil im wettergeschützten Osten, dessen Wirtschaftsteil im Westen lag, getrennt in der Mitte durch die Tenne. Davon gibt es auch noch bewohnte Beispiele draußen im Land. Dem bäuerlichen Alltag und dem handwerklichen Fleiß der Bauern widmen sich mehrere Heimatmuseen und Heimathäuser, so in Kirchheim, Mindelheim, Pfaffenhausen, Wolfertschwenden und die "Taverne" in Dirlewang. Im Mühlenmuseum Katzbrui kann man eine bäuerliche Getreidemühle aus dem 17. Jahrhundert sogar noch in Funktion sehen. Das Gebäude ist das älteste (1661 erbaut) und baugeschichtlich wertvollste Bauernhaus im Landkreis. Außerhalb der Museen sind die markanten Zeugnisse ländlicher Baukultur und landschaftsgemäßer Bautradition selten geworden. Ungefähr 160 Bauernhäuser enthält die Denkmalliste des Landkreises, davon sind die meisten im 19. Jahrhundert entstanden. Außer Bauernhäusern enthält die Liste auch noch Mühlen (u. a. Wiesmühle bei Nassenbeuren, Mühle in Ettringen aus dem 17./18. Jahrhundert), Gasthäuser, Pfarrhöfe, Jägerhäuser, Pfarr- und Zehentstadel, z. B. einen in Memmingerberg von 1545. In den Feldfluren stehen Sühnekreuze, Marterl, Kapellen, Bildstöcke, Flurkreuze in großer Zahl, überwiegend von Bauern auf eigenem Grund und Boden errichtet, z.B. in der Gemarkung Legau mehr als siebzig.
Reiches religiöses und weltliches Brauchtum hat sich im Landkreis erhalten oder ist wieder aufgenommen worden, darunter ursprünglich rein bäuerliche Bittprozessionen wie die Leonhardiritte in Erkheim und Kirchheim, der Rupertiritt in Ottobeuren, der Georgiritt in Holzgünz.
Aus dem Unterallgäu stammen mehrere berühmte Persönlichkeiten. Am bekanntesten ist sicherlich Sebastian Kneipp (1821-1897), Pfarrer und Heilkundiger. Eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der Reformationszeit war Dr. Johannes Eck (1486-1543), Gegenspieler Luthers und Streiter für die Gegenreformation. Zur gleichen Epoche gehört Georg von Frundsberg (wahrscheinlich 1473-1528), der "Vater der Landsknechte" und im Bauernkrieg ein Gegner der Aufständischen. Nicht verwunderlich ist, dass ein bedeutender Milchwissenschaftler aus dem Unterallgäu stammt: Professor Theodor Henkel (1855-1934), zugleich Pionier der Silowirtschaft. Eine der wichtigsten molkereiwirtschaftlichen Lehr- und Versuchsanstalten Deutschlands wurde 1902 in Boos gegründet.
Text: Prof. Dr. Joachim Ziche
Literatur
-Der Landkreis Memmingen. Landschaft - Geschichte -Kultur - Wirtschaft. Memmingen 1971
-Der Landkreis Mindelheim in Vergangenheit und Gegenwart Mindelheim 1968
-Unser Landkreis Unterallgäu. Im Herzen Bayerisch-Schwabens. (Hrsg. v. Landkreis Unterallgäu.) Bamberg 2005
-Kolb, Aegidius:
Landkreis Unterallgäu (2. Bände). Mindelheim 1987
-Nowotny, Peter:
Die Iller und ihr Tal. Liebenswerter Lebensraum zwischen Alpen und Donau. Immenstadt 1999